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Gastautor: Robert Ott
Robert Ott
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Robert Ott
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Biologischer Holzschutz
Insektenbefall an Kunst und Objekten Ganzheitlich - Ursache und Wirkung - Monitoring
Holzschädlinge und ihre natürlichen Feinde
Monitoring - Ganzheitliches Herangehen beim bekämpfenden Holzschutz

Biologischer Holzschutz
grundlegende Beobachtungen


Untersuchungen über die Entstehung von Bohrmehlhäufchen an Schlupflöchern des Gemeinen Nagekäfers (Anobium punctatum) De Geer.

SPURENSUCHE

Robert Ott, Sachverständiger für Holzschutz, Gammertingen

Wir träumen von phantastischen Welten. Millionen Lichtjahre entfernt. Dabei haben wir noch nicht einmal begonnen, die Welt zu entdecken, die sich direkt vor unseren Füßen ausbreitet: Galaxien des Kleinen, ein Mikrokosmos im Zentimetermaßstab, in dem Grasbüschel zu undurchdringlichen Wäldern, Tautropfen zu riesigen Ballons werden, ein Tag zu einem halben Leben. Die Welt der Insekten.

aus: Mikrokosmos - Das Volk in den Gräsern - Nuridsany & Perennou - Scherz Verlag

Ein auf einem Dachboden einer Kirche auf der Schwäbischen Alb geborgener Baluster der ehemaligen hölzernen Kirchenausstattung gab interessante Einblicke in die Biologie eines natürlichen Feindes des Gemeinen Nagekäfers, den Blauen Fellkäfer (Corynetes coeruleus).

Einleitung

Insgesamt kommen in Deutschland 5 (6) verschiedene Arten von Nagekäfern substrat- und klimaspezifisch an verbautem Holz vor.

Der Gemeine Nagekäfer (Anobium punctatum) De Geer 1774 aus der Familie Anobiidae ist in Mitteleuropa der gefürchtetste Materialschädling an hölzernen Kunstgegenständen, Treppen und Möbeln.

Auch in Dachgeschossen kommt er vielfach in Traufenfußpunkten sowie vor allem in der Dielung vor. Im Volksmund wird er auch Holzwurm bzw. Klopfkäfer (Totenuhr) genannt. Ersteres ist sehr ungenau und Zweites falsch, da nur der Gescheckte Nagekäfer (Xestobium rufovillosum) bei der Partnersuche mit seiner Stirn auf Holz klopft und damit Geräusche verursacht. Oft wird der Gekämmte Nagekäfer (Ptilinus pectinicornis) aufgrund eines ähnlichen äußeren Befallsbildes an Laubholz (z.B. Rotbuche, Birke) mit dem Gemeinen Nagekäfer verwechselt bzw. ist mit diesem vergesellschaftet.

Abb. 1: Fundsituation des Balusters auf dem Kirchendachboden übersät mit Bohrmehlhäufchen. Foto: Ott
Der Gemeine Nagekäfer hat sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet in Europa und den kühleren Bereichen Asiens und wurde in hölzernen Gegenständen weltweit verschleppt. In den küstennahen Bereichen Südafrikas, Neuseelands, Süd-Ost Australiens, Südbrasiliens und Nordamerikas konnte sich seine Art ansiedeln. (POSPISCHIL 2000).

Der Gemeine Nagekäfer ist dunkelbraun, selten heller oder schwarzbraun und hat eine gedrungene Körperform mit ovalem Querschnitt. Die Körperlänge beträgt zwischen 2,5-6mm. Der Halsschild überdeckt den Kopf kapuzenartig.

Er befällt nahezu alle wirtschaftlich wichtigen Nadel- und Laubholzarten Europas sowie verschiedene tropische Hölzer. Bevorzugt werden Weich- und Splinthölzer. Dauerhaftes Kernholz z.B. der Stiel- und Traubeneiche wird nur nach leichtem Angriff durch holzzerstörende Pilze angegangen (BECKER 1942, CYMOREK 1982,). An alten Kirchentüren und Beichtstühlen ist an der Bodenzone manchmal abgestorbener Befall an Eichenkernholz nachweisbar.

Die Käfer schlüpfen je nach Klima zwischen April und August. Die Verpuppung sowie der Schlupf werden durch eine längere Kälteperiode gesteuert (CYMOREK 1975). Ihr Leben dauert kaum länger als 3 Wochen. Sie können recht gut fliegen und erreichen so benachbarte Gebäude. Die Weibchen verlassen den Ort ihrer Entwicklung nur sehr selten. In aller Regel legen sie ihre Eier (bis zu 50) nach der Befruchtung in ihr eigenes Schlupfloch, oder auch auf geeigneten Oberflächen ab. Nach der Eiablage verschließen die Weibchen oft den Schlupfgang und sterben ab. Die Larven schlüpfen nach 2 bis 3 Wochen und nehmen beim Durchnagen der Eihaut hefeartige Symbionten auf, welche sie für die Verdauung der Zellulose benötigen. Ab dem zweiten Stadium haben die Larven ihre typische engerlingsförmige Gestalt angenommen. Sie sind nun nicht mehr in der Lage außerhalb der Holzmatrix zu überleben und minieren durch das Holz. Unter günstigen Klimabedingungen beträgt die Entwicklungsdauer in Eichensplintholz 2 Jahre, in Nadelholz 3 bis 8 Jahre, unter ungünstigen Bedingungen 10 Jahre und mehr. Die Larven des Gemeinen Nagekäfers sind verhältnismäßig träge und zum Minieren in Holz prädestiniert.

Die kleineren und agileren Männchen laufen und fliegen auf der Suche nach einem Weibchen rasch umher. In Geschlechtsnot nehmen die Weibchen eine Lockhaltung ein. Bei diesem Vorgang geben sie ein Sexualpheromon ab, welches die Männchen in ihrer unmittelbaren Umgebung auf sie aufmerksam macht (CYMOREK 1982). Dieses Pheromon wurde in den Achtzigerjahren entdeckt und wird seit Mitte der 90er Jahre in Lockstofffallen für Monitoringmaßnahmen genutzt. (BINKER 1996).

Erkennbar ist ein Befall durch kleine runde Schlupflöcher der Käfer von 1-2mm Durchmesser. Kleinere Schlupflöcher stammen entweder von parasitierenden Schlupfwespen z.B. Spathius exarator oder von Käfern des Gemeinen Nagekäfers welche nur einen Teil des Schlupfloches freinagen konnten und dann abgestorben sind. Die Kotpillen der Larven sind artspezifisch. Sie haben die Form kleiner Erdnusskerne, wobei ein Ende eine langgezogene Spitze aufweist. Die Fraßgänge sind damit fest gefüllt. Stark befallenes Holz hat einen säuerlichen Geruch nach Rhabarber oder Holundermark.

Auftreten von Bohrmehlhäufchen

Das Auftreten von Bohrmehl in Form von hellen Rieselspuren, Bohrmehlhäufchen auf horizontalen Flächen und vollgestopften Schlupflöchern wird in Restauratoren- sowie in Sachverständigenkreisen vielfach als eines der Merkmale bewertet, welches einen aktiven Befall durch den Gemeinen Nagekäfer anzeigt. Beim Schlüpfen soll der Gemeine Nagekäfer Bohrmehl ausstoßen. So wird bei Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Gemeinen Nagekäfer an hölzernen Kunstgegenständen in Kirchen häufig die Befüllung der mit Fraßmehl und Larvenkot gefüllten und hellgelb (je nach Holzart verschieden) erscheinenden Schlupflöchern praktiziert.Dies geschieht meist mit Kontaktinsektiziden aus der Gruppe der Pyrethroide (z.B. Permethrin). Meist erscheint für mehrere Jahre kein Bohrmehl mehr an diesen Stellen, und der vermeintliche Erfolg der Bekämpfung scheint sicher.

In der Literatur finden sich teilweise widersprüchliche Angaben.

Die natürlichen Prädatoren (Räuber) des Gemeinen Nagekäfers sollen auf der Suche nach Larven im Holz Bohrmehl ausstoßen (KEMNER 1915).

BECKER (1942, 1954) gibt einen sehr guten Überblick über die Prädatoren und Parasiten, welche dem Gemeinen Nagekäfer nachstellen. Er nennt dabei eine Vielzahl an Prädatoren und Parasiten. Vor allem den Larven der Familie der Cleridae wie des Hausbuntkäfers Opilo domesticus, Opilo mollis, Tillus elongatus, Corynetes coeruleus sowie anderen wird Bohrmehlausstoß zugeschrieben. Opilo domesticus wird von Kemner und Becker als der Hauptfeind des Gemeinen Nagekäfers angesehen. Opilo domesticus frisst auf seiner Jagd durch die Fraßgänge anscheinend eine große Zahl des Gemeinen Nagekäfers in allen Entwicklungsstadien. Dabei kann er anscheinend weiches Holz durchnagen. Er erwähnt auch, dass Opilo domesticus möglicherweise in den typischen Anobienbiotopen aufgrund seines Temperaturoptimums nicht vorkommt.

Bei seiner Jagd durch das Holz stößt er Bohrmehl vor sich her und vielfach aus den Schlupflöchern heraus (KEMNER 1915, BECKER 1942, RAFALSKI 2004).

Nach MADEL (1952) stoßen parasitierende Larven sowie schlüpfende Käfer des Gemeinen Nagekäfers Bohrmehl aus.

VITÉ (1954) erwähnt, dass beim Ausnagen des Schlupfloches durch den Gemeinen Nagekäfer nur Späne, jedoch keine Kotteile um das Schlupfloch liegen und Bohrmehlhäufchen vor allem durch Larven seiner natürlichen Feinde entstehen.

GROSSER (1984) führt aus, dass Bohrmehlhäufchen von schlüpfenden Käfern sowie von räuberisch lebenden Larven verursacht werden. Auch sollen die Weibchen bei der Eiablage beim Wiedereindringen in das Schlupfloch Bohrmehl ausstoßen (BECKER 1940).

Nach Begasungen kehrt der Blaue Fellkäfer als eines der ersten Insekten wieder in die Kircheninnenräume zurück. Bei seiner Jagd nach abgetöteten Larven stoßen die Fellkäferlarven Bohrmehl aus (FRANKE 2001).

In jüngerer Zeit wurde der Blaue Fellkäfer bei umfangreichen Monitoringmaßnahmen mit dem Gescheckten Nagekäfer beobachtet und in Klebefallen gefangen. Aussagen über die Entstehung von Bohrmehlhäufchen werden in den genannten Berichten nicht ausgeführt (RIDOUT 2000, SIMMONDS et al. 2001, NOLDT et al. 2003).

Eigene Beobachtungen über die Entstehung von Bohrmehlhäufchen

Ein mit Bohrmehlhäufchen übersäter hölzerner Baluster wurde im Dezember 2004 aus einem Kirchendach auf der Schwäbischen Alb geborgen. Das Befallsstück wurde hernach in einem durchsichtigen Plexiglasbehälter in einem nichtbeheizten Dachgeschoss aufgestellt. Damit sollte ein Höchstmaß an Beobachtbarkeit, das Ausschließen äußerer Einflüsse wie parasitierende Schlupfwespen sowie das vollständige Erfassen schlüpfender Käfer erreicht werden. Herausrieseln von Bohrmehl durch mechanische Erschütterung war nicht möglich. Die Beobachtungen wurden in der Regel dreimal täglich durchgeführt.

Mitte März, noch vor dem Schlupf des Gemeinen Nagekäfers, war erstmals Bohrmehlausstoß ersichtlich. 6 Tage später schlüpfte ein Blauer Fellkäfer (Corynetes coeruleus). Mit dem Auftreten der ersten Bohrmehlhäufchen verlassen die Käfer des Blauen Fellkäfers das Holz zur Partnerfindung. Anscheinend geschieht dies bei Temperaturen von etwa 11°C.

In dieser Zeit konnten erstmals aus dem Holzkörper gefallene Larven des Blauen Fellkäfers auf dem Plexiglasboden gefunden und beobachtet werden. Diese krochen aus eigener Kraft den Holzkörper hoch und drangen wieder in vorhandene Schlupflöcher ein.

Abb. 2: Schlupflöcher des Gemeinen Nagekäfers nach dem Verlassen. Vereinzelte Späne liegen um die Schlupflöcher herum. Foto: Ott
Abb. 3: Schlupfloch, welches zur Eiablage durch ein Weibchen des Gemeinen Nagekäfers benutzt wurde. Erkennbar an den bis zur Holzoberfläche liegenden eiförmigen Kotballen. Foto: Ott
Abb. 4: Schlupfloch mit wenig umliegenden Spänen. Verursacht durch ein Männchen des Gemeinen Nagekäfers Foto: Ott
Abb. 5: Schlupfloch mit Spänen vom Ausnagen des Schlupfloches, welches vor der Eiablage durch das Weibchen beiseitegeschafft wurde und etwas über die Holzoberfläche hinausragt. Diese Späne lassen sich eindeutig von Bohrmehl mit Larvenkot unterscheiden. Foto: Ott

Ende April begann die Schlupfperiode des Gemeinen Nagekäfers. Diese dauerte etwa 3 Wochen an. Am untersuchten Baluster konnte der Schlupf, die Paarung sowie die Eiablage von 21 Käfern des Gemeinen Nagekäfers beobachtet werden.

Der Gemeine Nagekäfer

Die eigenen Beobachtungen bestätigten die Angaben von Becker und Cymorek eindrucksvoll. Die Käfer des Gemeinen Nagekäfers nagen mit ihren Beißwerkzeugen, den Mandibeln, die über ihnen liegende, den Fraßgang abschließende Holzschicht (etwa 0,5-1mm), nach und nach frei. Die dabei anfallenden Späne werden mit den Beinen hinter den Körper geführt. Dieser Vorgang dauert mehrere Stunden.

Beim Schlüpfen haften an den Käfern Späne. Diese behindern die Käfer nach dem Schlüpfen beim Haften auf der Holzoberfläche. Vielfach fallen sie dabei von schrägen bzw. vertikalen Oberflächen herab. Erst nachdem sie sich von den Spänen befreit haben, sind sie in der Lage, sich ohne Probleme an senkrechten Oberflächen frei zu bewegen. Aus waagerechten Oberflächen schlüpfende Käfer stoßen diese Späne nach und nach ab. Diese finden sich um das Schlupfloch (keine Bohrmehlhäufchen!). Mit bloßem Auge sind sie kaum erkennbar. Erst mit einem Taschenmikroskop mit 40-100 facher Vergrößerung werden sie sichtbar. Larvenkot wird keiner ausgeworfen. Auf die Unterscheidung zwischen Bohrmehl (Larvenkot und Späne (Nagsel)) und Spänen sei hier kurz hingewiesen. Sie ist für die folgenden Betrachtungen notwendig. Bohrmehl, welches die minierenden Larven während ihres Lebens im Holzkörper verursachen, lässt sich verhältnismäßig einfach mit einem Taschenmikroskop bestimmen. Es enthält eine Vielzahl von eiförmigen Kotballen sowie unregelmäßig geformte Späne. Die typisch geformten eiförmigen Kotballen mit meist einer langgezogenen Spitze lassen sich zur Unterscheidung der verschiedenen Käferarten heranziehen. Das Fraßmehl, welches der Käfer beim Ausnagen des Schlupfloches hervorruft, besteht nur aus kleinteiligen, unregelmäßig geformten Spänen. Diese liegen nach dem Schlüpfen der Käfer auf dem Schlupflochgrund. Dem Gemeinen Nagekäfer ist es biomechanisch nicht möglich, beim Ausschlüpfen Bohrmehl auszustoßen.

Nach dem Schlüpfen sind die Käfer sehr träge. Sie stehen vielfach minutenlang um ihr eigenes Schlupfloch herum. Daher scheint der Begriff Flugloch unkorrekt.

Die Weibchen dringen nach der Kopulation zur Eiablage meist wieder in ihr eigenes Schlupfloch ein. Bei dieser Tätigkeit kann es vorkommen, dass sie dabei die in etwa 1cm Tiefe auf den Kotballen liegenden Späne aus dem Schlupfloch auswerfen. Vereinzelt sind einige wenige Kotballen beim Auswurf mit dabei. Am untersuchten Befallsstück konnte dies zweimal an einem horizontalen Schlupfloch erkannt werden. Diese Spanhäufchen sind mit bloßem Auge kaum zu erkennen.

Abb. 6: Gemeiner Nagekäfer neben Schlupfloch. Foto Cymorek

Der Blaue Fellkäfer

Über die Biologie des Blauen Fellkäfers ist in der Literatur sehr wenig bekannt. In aller Regel wird dabei nur sein Aussehen beschrieben.

Der Blaue Fellkäfer ist in Mittel- und Südeuropa verbreitet. Die Käfer sind metallisch blau gefärbt und behaart. Die mittleren Fühlerglieder sowie die Tarsen sind bräunlich. Der Halsschild ist in der Mitte weitläufig punktiert, am Rand etwas dichter. Der Blaue Fellkäfer scheint auch an ausgetrockneten Menschenleichen sowie an Aas von Tieren vorzukommen (BENECKE 1996).

Die weißlichen Larven des Blauen Fellkäfers haben eine braune Kopfkapsel und Vorderbrust (POSPISCHIL 2000). Sie sind äußerst resistent gegenüber chemischen Holzschutzmitteln und überleben oftmals Bekämpfungsmaßnahmen (HICKIN 1969).

Die Käfer durchstoßen das festgepresste Bohrmehl, welches das Schlupfloch verstopft. BECKER (1942) erwähnt hierzu, dass der Blaue Fellkäfer die Puppenwiegen des Gemeinen Nagekäfers bisweilen erweitert und stets mit einem weißlichen Sekretüberzug versieht. Dabei überwintern die Fellkäfer teilweise in Puppenwiegen. Das Schlupfloch wird mit Bohrmehl zugeklebt, welches etwas über die Holzoberfläche hinausragt. Diese Aussage konnte anhand der vorgefundenen Puppenwiegen sowie der Beobachtung des Schlupfes bestätigt werden. Auch die Larven scheinen teilweise in Puppenwiegen zu überwintern.

Wie der Blaue Fellkäfer Befallsstellen findet, ist unklar. Denkbar sind z.B. flüchtige organische Substanzen des Larvenkots sowie Verwesungsgeruch abgestorbener Larven und Käfer des Gemeinen Nagekäfers.

Abb. 7: Frisch geschlüpfter Blauer Fellkäfer. Foto: Ott
Abb. 8: Puppenwiege des Blauen Fellkäfer. Daneben eine Fellkäferlarve. Foto: Ott

Eigenen Beobachtungen zufolge verursachen ausschließlich die Larven des Blauen Fellkäfers die typischen Bohrmehlhäufchen auf Holzoberflächen. Verschiedene andere Cleriden sind ebenfalls zu Bohrmehlausstoß fähig ( dies zeigte sich an einem ebenfalls untersuchten vom Gekämmten Nagekäfer befallenen Buchenholzstück. Dort waren die Larven von Opilo domesticus und vor allem Tillus elongatus in großer Zahl nachweisbar).

Bis zu 3 Larven konnten bei ihrer Aktivität gleichzeitig beobachtet werden. Alle in der Praxis vorkommenden Formen von Bohrmehlhäufchen konnten bei der Entstehung durch den Blauen Fellkäfer beobachtet werden. Dabei waren in der Regel nur ausgewachsene, etwa 14mm lange Larven beteiligt. Unzählige Male krochen Larven aus vorhandenen Schlupflöchern des Gemeinen Nagekäfers, um kurze Zeit später wieder im selben bzw. einem naheliegenden Schlupfloch zu verschwinden (Abb. 10-14). Dieses Umherwandern verursacht die Wanderungsspuren, welche in Bohrmehlhäufchen oftmals vorgefunden werden (Abb. 18).

Vielfach fallen die Larven von der schrägen Holzoberfläche herab auf den Boden. Sie sind jedoch in der Lage, eigenständig wieder den Holzkörper empor zuklettern und in einem Schlupfloch zu verschwinden. Vor dem Verlassen des Holzkörpers stoßen sie größere Mengen an Bohrmehl aus. Auch beim Wiedereindringen wird von ihnen jede Menge Bohrmehl ausgestoßen. Dieses Bohrmehl unterscheidet sich grundsätzlich von den Spänen der Weibchen des Gemeinen Nagekäfers, welches gelegentlich bei der Eiablage aus dem Schlupfloch ausgeworfen wird, da es Larvenkot mit Spänen enthält.

Krater in Bohrmehlhäufchen entstehen dadurch, dass die Larven nach Ausstoß des Bohrmehls wieder zurückweichen und die Kotballen wieder in das Schlupfloch rieseln. Gleichzeitig kommt es vor, dass die Larven das Bohrmehlhäufchen durchdringen und dann wieder zurückkehren. Die Larven machen entgegen der vorherrschenden Literaturmeinung eine mindestens dreijährige Entwicklungszeit durch. Die im Holz vorgefundenen Larvalstadien mit Größen von 5mm – 14mm belegen dies. Ausgewachsene Larven haben etwa die 2 bis 3-fache Größe der Larven des Gemeinen Nagekäfers und können somit auch wesentlich mehr Wirkstoffe von Fraßgiften beim Fressen derselben akkumulieren. Kontaktgifte wirken bei ihnen tödlich und es kommt zum Erliegen des Bohrmehlausstoßes.

Die Larven sind optimal auf die Jagd nach Larven bzw. Larvenhäuten und abgestorbenen Käfern des Gemeinen Nagekäfers im Holz angepasst. Sie können sich verhältnismäßig schnell auf Holzoberflächen bewegen. Dabei sind sie ungemein flink und beweglich. Das Eindringen in ein Schlupfloch dauert nur wenige Sekunden. Beim Durchdringen von schmalen Ritzen können sie eine stark ovale Querschnittsform annehmen.

Es scheint den Larven nach diesen Beobachtungen möglich, im Fraßgang zu wenden. Die Larven fressen auch abgestorbene Käfer des Gemeinen Nagekäfers (ein Fall wurde beobachtet). In ausgestoßenem Bohrmehl konnte eine verstümmelte, tote Larve des Gemeinen Nagekäfers gefunden werden. Das Töten der Nagekäferlarven durch Larven des Blauen Fellkäfers lässt sich beim Aufspalten des Holzes durch dessen zitronengelbe Verfärbung der Fraßgänge und des Bohrmehls erkennen, verursacht durch die Hämolymphe der gefressenen Larven. Dabei finden sich auch vereinzelt Larvenfragmente des Gemeinen Nagekäfers. Beim Aufsägen von Hölzern kann es gelegentlich vorkommen, dass lebende Larven durchtrennt werden. Dabei kommt es ebenfalls zu dieser Verfärbung.

Die letzten Bohrmehlauswürfe traten Ende Oktober auf, also etwa 3 Monate nach dem letzten Schlupf des Gemeinen Nagekäfers aus dem Holzkörper.

Außerhalb des Plexiglaskastens konnten während der Flugzeit des Gemeinen Nagekäfers auch zwei anfliegende Männchen sowie zwei parasitierende Schlupfwespen der Gattung Scleroderma domesticum und eine Spathius spec. abgefangen werden. Der Blaue Fellkäfer scheint an die Umweltbedingungen des Gemeinen Nagekäfers angepasst zu sein. So konnte lebhafter Befall in einem großen Gewölbekeller festgestellt werden. Dort lagen die Holzfeuchten der befallenen Hölzer bei 27%.

Bei der Untersuchung einer Reihe von historischen Holzkonstruktionen konnten immer wieder Spinnennetze an offensichtlichen Befallsstellen des Gemeinen Nagekäfers erkannt werden. Diese Spinnen, meist Tegenaria spec., sind ebenfalls Räuber des Gemeinen Nagekäfers sowie des Blauen Fellkäfers.

Oft verfängt sich in ihren Spinnennetzen Bohrmehl, welches durch Larven des Blauen Fellkäfers ausgeworfen wird. Auch verfangen sich schlüpfende Käfer des Gemeinen Nagekäfers sowie herabfallende Fellkäferlarven in ihnen. So sind Spinnennetze mit frischem Bohrmehl stets ein Indiz für einen aktiven Befall.

Abb. 9: Frische Bohrmehlhäufchen auf der Holzoberfläche nach dem Eindringen der Larven in alte Schlupflöcher. Foto: Ott
Abb. 10: Eindringen der Larve des Blauen Fellkäfers in ein altes Schlupfloch des Gemeinen Nagekäfers (27.08.2005). Foto: Ott
Abb. 11: Eindringen der Larve (27.08.2005). Foto: Ott
Abb. 12: Bohrmehlkrater(links) nach dem Eindringen der Larve (29.08.2005). Foto: Ott
Abb. 13: Eingestürzter Bohrmehlkrater (rechts) (31.08.2005). Foto: Ott
Abb. 14: Die Larve des Blauen Fellkäfers beim Verlassen eines Schlupfloches.(31.08.2005). Foto: Ott
Abb. 15: Ausgeworfenes Bohrmehl auch an einem Spinnennetz einer Tegenaria spec. Foto: Ott
Abb. 16: Ausgeworfenes Bohrmehl verfangen in einem Spinnennetz Foto: Ott

Bei der Routineuntersuchung eines Dachbodens wurde ein Quadratmeter der aus Fichtenholz bestehenden Fußbodenbretter entfernt (Abb. 17). Ausgewählt wurden nur Bretter, welche vielfach helle Bohrmehlhäufchen aufwiesen.

Die Bretter wurden in 5cm lange Stücke zersägt und anschließend aufgespalten. Dabei konnten 96 lebende Larven des Gemeinen Nagekäfers in allen Entwicklungsstadien erfasst werden. Vom Blauen Fellkäfer konnten 7 Larven, ebenfalls in allen Entwicklungsstadien, gezählt werden. Das an diesen Hölzern aufgetretene Verhältnis beträgt also etwa 14:1. Dieser Wert kann sicherlich nicht als repräsentativ angesehen werden. Er scheint aber durchaus wahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass ein größeres Maß an Blauen Fellkäfern pro Quadratmeter dazu führen kann, dass es zu Kannibalismus kommt.

Beim Aufspalten der Hölzer konnte auch ein lebender Käfer des Blauen Fellkäfer aufgefunden werden. Es scheint, dass die Larven sich im Herbst verpuppen und als fertiger Käfer im Holz verbleiben.

Abb. 17: Unzählige Bohrmehlhäufchen auf dem Dielenbelag eines Gebäudes aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Foto: Ott
Abb. 18: Typische Wanderungsspuren der Larven des Blauen Fellkäfers auf dem Bühnenboden. Foto: Ott
Abb. 19: Frisch ausgeworfene Bohrmehlhäufchen, erkennbar an der hellen Farbe des Larvenkots. Etwas dunkler verfärbt, das ein Jahr früher ausgeworfene Bohrmehl. Foto: Ott
Abb. 20: Dieselben Bohrmehlhäufchen 3 Monate später. Foto: Ott
Abb. 21: Alte Bohrmehlhäufchen, durch UV-Licht dunkel verfärbt. Foto: Ott

Ausblick

Die Untersuchungen erbrachten den Nachweis, dass Bohrmehlhäufchen durch die natürlichen Feinde (Blauer Fellkäfer) des Gemeinen Nagekäfers verursacht werden. Helle Bohrmehlhäufchen sind immer ein Anzeichen für aktiven Befall des Holzes durch den Gemeinen Nagekäfer (Ausnahmen siehe Franke 2001). Die bisher getroffenen Maßnahmen bei der Bekämpfung des Gemeinen Nagekäfers in sakralem Kunstgut mit flüssigen Holzschutzmitteln sind mindestens unzureichend, da vielfach nur ausgeworfenes Bohrmehl als Aktivitätsnachweis wahrgenommen wird. Kontaktinsektizide sind in diesem Falle unangebracht, da sie vor allem die natürlichen Feinde abtöten. Das Auftreten von Bohrmehl wird somit verhindert. Gleichzeitig wird damit ein Bekämpfungserfolg vorgegaukelt und der Befall kann, sofern keine weiterführenden Monitoringmaßnahmen unternommen werden, weitgehend unerkannt fortschreiten.

Ob die Entwicklung von Prädatoren in Gebäuden, von populationsdynamischen Gesichtspunkten einmal abgesehen, für Bekämpfungsmaßnahmen erfolgreich sein kann, ist fragwürdig. Die bisher gewonnenen Kenntnisse lassen eher ein Eindämmen des Befalles erkennen. Für eine Bekämpfung müssten große Mengen von Fellkäferlarven gezüchtet bzw. befallenes Holz aufgespalten werden, um eine einigermaßen vernünftige Zahl von Larven zu erhalten.

Die Untersuchungen werden fortgeführt bzw. auf weitere Bereiche ausgedehnt.

Hier aktuelle, neue Bilder vom Ausschlupf und Paarungsakt von 8 Blauen Fellkäfern:

Blauer Fellkäfer: beginnender Ausschlupf
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Insekt zur Hälfte ausgeschlüpft
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Mühe beim Ausschlupf
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Das Insekt hat nun das Holz verlassen
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Suche nach einem Paarungspartner
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Suche nach einem Paarungspartner
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Ein Paarungspartner ist gefunden
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Paarungsakt
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Paarungsakt
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Paarungsakt
Foto: Ott
Blauer Fellkäfer: Paarungsakt
Foto: Ott

Literatur:


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