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Mit überraschenden Formen und Farbenreichtum treten Schleimpilze auf. Am Fachwerkgebäude sind die ein Indiz für feuchtes Milieu und holzzerstörende Pilze. Foto: Rüpke |
Schleimpilze, Myxomyceten , sind in der Natur aufgrund ihrer geringen Größe unscheinbar. Ihr gewaltiger, farbenprächtiger und vielfältiger Formenreichtum überrascht dehalb um so mehr. Noch überraschender ist ihre Fähigkeit sich fortzubewegen. Das erstere läßt sie schnell übersehen, das letztere schürt Zweifel, ob es sich hier überhaupt um Pilze handelt.
In der Tat gibt es etwas unerklärliches. Die Schleimpilze sind im ersten Stadium ihres Lebens mit tierischen Merkmalen belegt, sie sind beweglich oder ähneln Einzellern. In der Fortpflanzung sind sie mit dem Sporenstand den Pilzen sehr ähnlich.
Das Nährsubstrat der Schleimpilze sind oft andere Pilze, die sie - dank ihrer Fähigkeiten zur Fortbewegung - regelrecht überfallen, um sie anschließend niedermachen.
Das Drama im Garten: links: ein noch frischer Pilz, mittig: der Überfall durch einen Schleimpilz, rechts: Der Pilz ist vom Schleimpilz erlegt und verzehrt, jedoch ist nunmehr der Schleimpilz selber Opfer von Schimmelpilzen geworden. Fotos: Rüpke |
An Gebäuden, besonders an den Fachwerkbauten ist der Schleimpilz ein besonderer Helfer des Sachverständigen für Holzschutz. Er gibt ihm geheime Informationen über das Innere der Fachwerkbalken besonders über dort hinter dichten Spachteleien und Farbbeschichtungen versteckt wirkende holzzerstörende Pilze.
Knallroter Kaugummi oder was?
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Als wären es die Holznägel der Facherkverbindung. Es sind aber Reste der Fruchtkörper zuvor abgekratzer Schleimpilze. Im Holz dahinter fanden sich holzzerstörende Pilze, deren Nährsubstrat. Befallsursache sind neben der unfachgemäßen Farbbeschichtung die Verwendung von am Fachwerk schadträchigem Epoxidharzspachtel. Foto: Rüpke |
Obwohl Spachtelung und Farbbeschichtung an sich schon als meistens schadträchtig erkannt werden könnten, ist der Schleimpilz ein noch besserer Schadensindikator, frei von jeder zeitgeistig beeinflussenden Bauideologie. Wo er zu finden ist, braucht man oft kein Messgerät, sondern ein Messer, was sich meist in den Balken einstechen läßt.
Am Nadelholzfachwerk: Links im Bild ein bereits aufgeplatzter, sporenauswerfender brauner Fruchtkörper eines Schleimpilzes. Rechts im Bild der gleiche Schleimpilz mit noch geschlossenem Fruchtkörper. Die Hülle besteht überwiegend aus Kalk. Es ähnelt einem muschelartigen Gebilde. Fotos: Rüpke |
Regelrecht Spaß macht die Jagd auf Schadensbereiche unsichtbarer holzzerstörender Pilze, wenn man die Schleimpilze als Jagdgehilfen versteht.
Am Nadelholzfachwerk: Ein Schleimpilz (im linken Bild, mittig rechts im rechten Bild links oben), beide Male ist im Balken durch auch (unsichtbar im Inneren) anwesende holzzerstörende Pilze ein bereits so ein schwerer Schaden vorhanden, daß das Messer sich leicht einstoßen läßt. Volltreffer! Fotos: Rüpke |
Auch an sonst unscheinbaren Stellen, wie hernach an der Untersicht einer Dachtraufenverbretterung, sind die Schleimpilze Hinweise auf darunter wirksame holzzerstörende Pilze (hier vermutlich ein Hinweis auf einen ursächlichen Baufehler oder aber eine Undichtigkeit an der Dachdichtung eines Pultwarmdaches).
Am Traufkasten aus Nadelholz: im linken Bild mehrere Schleimpilze der Art Reticularia lyperdon (durch Pfeile markiert), im rechten Bild der später sichtbare und verbleibende Abdruck nach dem Aufplatzen des Fruchtkörpers (nach dem Ausstauben der Sporen). Auch hier ist es ein Hinweis auf versteckt dahinter anwesende holzzerstörende Pilze, die es noch aufzudecken gilt. Fotos: Schulze |
Unter dem Mikroskop erkennt man eine stachelige Oberfläche der etwa 8 µm großen Sporen. Das ist ein typisches Merkmal der am Gebäude anzutreffenden Schleimpilzarten. Das sind u.a. Reticularia lycoperdon, Fuligo septica.
Schleimpilzsporen 8 µm unter dem Mikroskop. Deutlich erkennbar, eine stachelige Obefläche der Sporen. Fotos: Rüpke |
Zum Beispiel: Reticularia lycoperdon (Bull.)
Anfang April, Reticularia lycoperdon auf einem zuvor schon durch den Zimtbraunen Feuerschwamm, Phellinus contiguus befallenen frei bewitterten Nadelholzbrett. Links frisch aufgewachsen, in der Mitte, Anschnitt mit Rasierklinge und rechts im Bild, die Sporenkammer geöffnet. Fotos: Rüpke |
Reticularia lycoperdon, nach Sonne im trockenen Zustand Oberfläche leicht matt . Foto: Rüpke |
Reticularia lycoperdon, nach Regen im feuchten Zustand Oberfläche im Licht glänzend. Foto: Rüpke |
Reticularia lycoperdon, die typisch stacheligen Sporen in verschiedener Vergrößerung, Größe rd. 8 µm. Fotos: Rüpke |
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Reticularia lycoperdon, am Ende verbleibenden trockene Reste der
weißen Hülle mit braunem Sporenbelag darunter.
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6 Wochen später reifen an gleicher Stelle neue Schleimpilze. Das Motto
hier: "gleiches Theater mit gleichen Akteuren".
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Reticularia lycoperdon, frisch aufgewachsen. Es wurde der rechte aus dem
vorangegangenem Bild vergrößert.
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Reticularia lycoperdon, reif und schon aufgeplatzt, die Sporen werden
ausgeworfen.
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Fuligo septica, im reifen Zustand. Foto: Rüpke |
Fuligo septica, Platzen der Kapsel. Foto: Rüpke |
Der Schleimpilz im Plasmodienstadium: Hier bildet sich eine einzige vielkernige Riesenzelle. Diese "Zelle" erreicht hier in den Bildern eine Ausbreitung von ca. 15 cm. Die "Zelle" wandert in den Bildern über ein vom Muschelkrempling befallenes Kantholz aus Fichte und ernährt sich von dort gelöst auftretenden Nährstoffen und Bakterien. (Die Bilder sind durch Anklickern vergrößerbar.)
Schleimpilz im Plasmodienstadium. Foto: Rüpke |
Fuligo septica im Plasmodienstadium. Foto: Rüpke |
Schleimpilz im Plasmodienstadium. Foto: Rüpke |
Schleimpilz im Plasmodienstadium. Foto: Rüpke |
Es gibt einen Film zu diesem Thema. Der Autor ist Karlheinz Baumann. Der Film lief zuerst bei 3sat. Jetzt ist wird er auch in Teilen an mehreren Stellen von Youtube verbreitet:
z.B.: http://www.youtube.com/watch?v=vv7DFwjdeU8
Neben ihrer oben beschriebenen Funktion als Indikator für holzzerstörende Pilze am Gebäude sind die Schleimpilze natürlich im Freien viel häufiger anzutreffen. Ihr oft unserer Vorstellung von Pilzen gar nicht nahe kommende Erscheinung ist in den Formen stets überraschend und vielfältig. Oft gab dies den Anlaß zu mystischen Wortbildungen unserer Vorfahren. Beispiele wären die "Wolfsmilch" alias Blutmilchpilz (Lycogala epidendrum) oder die "Hexenbutter" alias Gelbe Lohblüte (Fuligo septica), die beide vom Wort her diese Schleimpilze trefflich beschreiben.
Lycogala epidendrum, der Blutmilchpilz, auch Wolfsblut genannt. Ein Schleimpilz im Freien, obenseitig auf Querschnitt an einem Totholzfichtenstamm. Die rotlichere Farbe ist das Jungstadium, später über rosa ins gräuliche. Foto: Rüpke |
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Lycogala epidendrum, die gleiche Stelle wie im obigen Übersichtsbild, bei trockenem Sommerwetter, 24 h später. Die Farbe hat sich geändert zum gräulichen hin. Foto: Rüpke |
Lycogala epidendrum, rundlich und stiellos mit rauher Oberfläche. Vergrößerung aus dem obigen Bild. Die Einbuchtungen sind klimatisch bedingt. Foto: Rüpke |
Mit einer Fichtennadel aufgestochen, entweicht schleimig ein "Blutmilchsaft", der dem Pilz den Namen gab. In diesem Saft reifen die Sporen heran. Unter dem Mikroskop kann man jetzt im Saft vereinzelt erste Sporenbildung erkennen. Foto: Rüpke |
Lycogala epidendrum, im 24 h späteren Zustand, nun gräulicher werdend. Ob die hier austretende "blutrote Milch" durch Schäden von Fraßfeinden erfolgte konnte nicht geklärt werden. Vergrößerung aus dem rechten Bild. Foto: Rüpke |
Lycogala epidendrum ist bei trockenem Sommerwetter 48 h später ausgereift. Die Farbe ist bräunlicher. Jeweils unten im Bild sieht man die dünne trockene Haut aufplatzen. Die reifen Sporen "stauben" aus. Sie sind rund, warzig und ca. 8 µm groß. Foto: Rüpke |
Lycogala epidendrum, nicht ausgereift und durch einen anderen Pilz befallen. Die Entwicklung der Sporen ist gescheitert. Das ganze Material ist angetrocknet und hier zäh geworden. Foto: Rüpke |